Eigentlich war es für mich schon klar, als ich noch nicht mal bei der Stiftung gearbeitet habe, sondern nur die Webseite kannte: Fight Fistula ist mein Lieblingsprojekt und eindeutig auch eins der emotionalsten und besten Projekte, die die Stiftung durchführt. Ich müsste eigentlich einen professionellen Abstand zu den Schicksalen wahren, denen wir in unseren Projektländern begegnen, aber diese jungen Mädchen rühren mich bis heute noch immer zu Tränen. Ich bin 32 und habe keine Kinder – vermutlich kann ich mir das Leid der Kindesmütter deshalb noch nicht einmal ansatzweise vorstellen. Trotzdem bricht es mir das Herz, wenn ich an diese Mädchen in Äthiopien denke.

Das Mädchen, das ich dabei sozusagen exemplarisch vor mir sehe, ist eine schmale Person mit dunklen, kurzen Locken, 13, vielleicht 14 Jahre alt. Sie wurde bereits als kleines Kind beschnitten. Ein grauenhaftes Ritual, an das sie sich nicht erinnern will, aber es doch bei jedem Toilettengang muss, denn der Urin braucht ewig, bis er durch die stecknadelkopfgroße Öffnung in ihrem Unterleib gelaufen ist. Als sie mit zwölf Jahren vergewaltigt wird, geben ihre Eltern sie dem Vergewaltiger zur Frau, um so ihre Ehre wiederherzustellen. Das Mädchen wird schwanger und als die Wehen beginnen, ist niemand da, um ihr zu helfen. Allein in ihrer Hütte hält sie den schier unerträglichen Geburtsschmerz über mehrere Tage aus. Doch erst als ihr Baby im Geburtskanal stirbt und der Innendruck seines Köpfchens nachgibt, ist es für ihren kindlichen Körper möglich, den kleinen, leblosen Körper herauszupressen. Und auch wenn man kaum glaubt, dass es noch schlimmer kommen kann, steht dem Mädchen nun ein weiteres, schreckliches Kapitel in ihrem Leben bevor: Weil das Baby von innen ihren Unterleib zerstört hat und damit die sogenannten Scheidenfisteln entstanden sind, kann sie ihren Urin und ihren Kot nicht mehr halten und wird von ihrer Gemeinde ausgestoßen. Ein völlig unschuldiges Kind wird nach zahlreichen schrecklichen Schicksalsschlägen also für den Rest seines Lebens in die Isolation gezwungen und mit dem Schuldgefühl und ihrer Scham alleine gelassen. Es hat gar keine Chance, sich aus dieser aussichtslosen Situation zu befreien.

Sie sehen schon – das Thema geht mir auch nach mehr als sechs Jahren bei der Stiftung noch sehr nah. Umso mehr habe ich mich deshalb über unseren Projektfortschritt und die wirklich verdiente Auszeichnung mit dem Medizinisch-humanitären Förderpreis der Else Kröner Fresenius Stiftung (EKFS) im Jahr 2010 gefreut. Die Bewerbung war meine erste eigenständige Fundraisingaktivität und ich bin noch immer ein wenig stolz darauf, von welch großartigem Erfolg diese gekrönt war. Jedes Jahr prämiert die EKFS Projekte, „die sich durch ein herausragendes und nachhaltiges Engagement für notleidende und kranke Menschen auszeichnen“ mit 50.000 Euro (heute sogar mit 100.000 Euro). Mit diesem Geld haben wir unsere Projektaktivitäten auf neue Regionen ausgeweitet, in denen wir bis heute betroffenen Mädchen helfen und Präventionsarbeit leisten.

Erfreulicherweise können 90 Prozent der Patientinnen mit Scheidenfisteln durch eine Operation geheilt werden. Zu diesem Zweck arbeiten wir in Äthiopien eng mit dem Fistula Hospital der Australierin und Trägerin des alternativen Nobelpreises, Catherine Hamlin, zusammen. Außerdem engagieren wir uns natürlich durch Prävention und Aufklärung dafür, dass Mädchen nicht so früh schwanger werden und im Falle einer Geburt medizinische Hilfe bekommen. Wie sinnvoll und gut dieser doppelte Ansatz ist, bestätigt nicht nur die Auszeichnung, sondern auch die vielen Mädchen und Frauen, die aufgrund unserer Arbeit wieder ein normales Leben führen können. Dank der großartigen Unterstützung von teilweise schon seit vielen Jahren treuen Spendern können wir das Projekt bis heute weiterführen. Dafür möchte ich die heutige Gelegenheit auch nutzen, und Ihnen erneut Danke sagen! Danke, dass Ihnen die Mädchen genauso am Herzen liegen wie mir!

Von Sina Rabe, Fundraiserin bei der DSW