[x_feature_headline type=“left“ level=“h6″ looks_like=“h6″ icon=“bookmark“]Gastbeitrag von Astrid Valentiner[/x_feature_headline]
163 Tage sind seit der Bundestagswahl im September 2017 vergangen. Die CDU/CSU und die SPD erhielten gemeinsam ihr niedrigstes Ergebnis seit dem Zweiten Weltkrieg, und so dachten die meisten am Abend nach der Wahl, dass die „Große Koalition“ abgewählt worden sei. Aber nun ist nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen, der erfolgreichen Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD sowie dem Mitglieder-Votum der SPD klar, dass die GroKo für die nächsten vier Jahre bestehen bleibt. Wir haben uns den Koalitionsvertrag angeschaut und geprüft, wie sich die neue Bundesregierung im Bereich der Entwicklungspolitik aufstellen will.
Unsere Analyse zeigt: Die Zusagen aus der vergangenen Legislaturperiode bleiben zum Großteil erhalten. Progressive Ideen in den Abschnitten des Koalitionsvertrags, die sich mit Entwicklungspolitik und humanitärer Hilfe befassen, sucht man jedoch vergeblich. So bekennen sich die Koalitionär*innen zwar zu dem Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Jedoch bleiben die vorgesehenen Mittel hierfür weit unter dem, was nötig wäre, um das 0,7-Prozent-Ziel tatsächlich zu erreichen. Zudem werden die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit an die Verteidigungsausgaben gekoppelt. Die zunehmende Verknüpfung der Entwicklungspolitik mit der Sicherheitspolitik und der Fluchtursachenbekämpfung sehen wir mit großer Sorge. Oberstes Ziel der Entwicklungspolitik muss es weiterhin sein, Armut und Hunger zu reduzieren und Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Zudem ist im Sinne des Prinzips der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung „niemanden zurücklassen“ darauf zu achten, dass vor allem die marginalisierten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen priorisiert werden.
Wichtige Voraussetzungen für die Teilhabe von jungen Menschen fehlen

Frühe Sexualaufklärung ist wichtig, damit sich die Jugendlichen vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten schützen können. Das gelingt durch eine spielerische Wissensvermittlung.
Deutschland hat sich bereits 2015 zu den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals – SDGs) und den Grundprinzipien der Agenda 2030 bekannt. Deren Umsetzung und die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung werden im Koalitionsvertrag als Maßstab des Regierungshandelns bezeichnet, doch das Grundprinzip „niemanden zurücklassen“ wird nicht explizit genannt.
Es bleibt es unklar, wie die zukünftige Bundesregierung dazu beitragen möchte, die Rechte von Mädchen und jungen Frauen, die oftmals zu der Gruppe der Benachteiligten gehören, zu gewährleisten. Die Gleichberechtigung der Geschlechter wird lediglich in einem Satz im Abschnitt zu Bildung in der Entwicklungszusammenarbeit im Vertrag abgehandelt. Ein Verweis auf die Menschenrechte als Grundlage der Entwicklungszusammenarbeit fehlt gänzlich. Auch der universelle Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten wird nicht erwähnt. Somit ignorieren die Koalitionär*innen diese wichtige Grundvoraussetzung für die Teilhabe von jungen Menschen am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben.
Positiv ist, dass das Thema Globale Gesundheit besonders hervorgehoben wird. Die Koalitionär*innen verpflichten sich unter anderem, in die öffentliche Forschung zu investieren, um vernachlässigte und armutsbedingte Krankheiten zu bekämpfen. Im Koalitionsvertrag weisen sie auf die Notwendigkeit hin, Gesundheitssystem aufzubauen und diese zu stärken. Wichtig bleibt dabei, dass die Gesundheitsdienstleistungen für alle Menschen zugänglich und bezahlbar sein sollen.
Unser Fazit zum Koalitionsvertrag
Zwar sind wichtige Bedingungen für eine nachhaltige Entwicklung im Vertrag aufgenommen, jedoch bleibt oft die Ausgestaltung der einzelnen Themen offen. Um den Zielen der Agenda 2030 gerecht zu werden und somit einen Beitrag zu einer gerechten, nachhaltigen und friedlichen Welt leisten zu können, müssen die neue Regierung und der Bundestag die Schwachpunkte und Leerstellen des Vertrages ausdefinieren.
Unsere Empfehlungen und wichtigsten Forderungen für die 19. Legislaturperiode haben wir im DSW-Forderungspapier zusammengefasst.
Zur Autorin: Astrid Valentiner ist entwicklungspolitische Referentin im DSW-Büro in Berlin.
**** „Ich hoffe, dass Ministerin Kneissl dem Thema FGM auch in der Entwicklungszusammenarbeit mehr Aufmerksamkeit als ihre Vorgänger schenken und Programme und Projekte in den Partnerländern unterstützen wird“, ermuntert Bayr die Außenministerin zum entwicklungspolitischen Engagement gegen FGM. Weibliche Genitalverstümmelung ist in einigen Partnerländern der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) ein großes Thema.