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7 Fragen – 7 Antworten zu armutsassoziierten Krankheiten

Blog | 17. Januar 2022 | #Gesundheitsforschung #Globale Gesundheit #Krankheiten #PRND

1. Was sind vernachlässigte und armutsbedingte Krankheiten?

Vernachlässigte und armutsbedingte Krankheiten (im Englischen poverty-related and neglected diseases – PRNDs) sind Krankheiten, die vor allem in wirtschaftlich schwächeren Ländern im globalen Süden auftreten und bei denen es an Diagnostika, Impfstoffen, Medikamenten und Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten fehlt. Sie sind eine der größten Herausforderungen der globalen Gesundheit.

2. Welche vernachlässigten Armutskrankheiten gibt es?

Den meisten bekannt sind wohl die drei am häufigsten verbreiteten Armutskrankheiten Aids, Malaria und Tuberkulose. Hinzu kommen die vernachlässigten Tropenkrankheiten. Aus zahlreichen tropischen Krankheiten hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 20 Krankheiten ausgewählt, die besonders viele Menschen betreffen, schwerwiegende Folgen haben und für die dringender Handlungsbedarf besteht. Dazu gehören zum Beispiel das Dengue-Fieber, Lepra und die Schlafkrankheit, die durch Viren, Bakterien beziehungsweise Parasiten übertragen werden. Die größte Gruppe jedoch stellen Wurmkrankheiten wie Drakunkulose, Flussblindheit und Bilharziose.

3. Wer ist von vernachlässigten Armutskrankheiten betroffen?

Geschätzt 2,8 Milliarden Menschen leiden weltweit an vernachlässigten Armutskrankheiten. Wegen der oft schlechten hygienischen Bedingungen und unzureichender medizinischer Versorgung ist es schwierig, die Krankheiten in Griff zu bekommen. Besonders häufig sind die ärmsten Teile der Bevölkerung betroffen – gerade in ländlichen Regionen – und hier wiederum insbesondere die Frauen, da sie weniger verdienen, oft die Hauptpflegepersonen sind, auch der älteren Menschen, und dabei schlechteren Zugang zu Gesundheitsversorgung haben.

4. Welche Folgen haben diese Krankheiten?

Allein an den drei großen Armutskrankheiten Aids, Malaria und Tuberkulose sterben weltweit jede Minute sechs Menschen. Viele weitere Millionen Menschen müssen mit den gesundheitlichen Folgen einer Erkrankung leben. Vernachlässigte Armutskrankheiten können beispielsweise zu Erblindung, Entstellungen und Behinderungen führen, arbeitsunfähig machen und sogar tödlich sein. Häufig werden die Erkrankten auch von ihren Gemeinden ausgeschlossen und sozial isoliert.

Wenn Betroffene überhaupt Zugang zu medizinischer Behandlung haben, müssen sie und ihre Familien die hohen Kosten dafür oftmals selbst tragen. Dadurch wird es für sie umso schwieriger, der Armutsfalle zu entkommen.

5. Wo sind die Hürden im Kampf gegen vernachlässigte Armutskrankheiten?

Gesundheit ist ein Menschenrecht. Doch noch immer fehlt vielen Menschen der Zugang zu einer allgemeinen Gesundheitsversorgung. Deshalb müssen die Gesundheitssysteme der betroffenen Länder gestärkt werden. Durch eine bessere Versorgung können Krankheiten frühzeitig erkannt, eine entsprechende Behandlung eingeleitet und die weitere Verbreitung verhindert werden. Die Eindämmung von vernachlässigten Armutskrankheiten ist außerdem eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die nachhaltigen Entwicklungsziele im Gesundheitsbereich erreicht werden.

Für viele der vernachlässigten Armutskrankheiten gibt es keine oder nur veraltete und unzuverlässige Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente. Da die betroffenen Regionen und ihre Bewohner über wenig Kaufkraft verfügen, fehlen der Pharmaindustrie oftmals die finanziellen Anreize, in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Eine weitere Bedrohung, die in den letzten Jahren immer stärker zugenommen hat, sind die antimikrobiellen Resistenzen. Krankheitserreger sind gegen herkömmliche Behandlungsmethoden mit Antibiotika resistent, wodurch eigentlich behandelbare Krankheiten wieder zu einer tödlichen Bedrohung werden. Zwar gibt es spezielle Antibiotika für einfach- oder multiresistente Erreger, doch die Behandlung ist langwierig, teuer und oft mit extremen Nebenwirkungen wie Erblindung oder Hörverlust verbunden.

6. Was kann und muss gegen vernachlässigte Armutskrankheiten getan werden?

Alle Menschen sollten Zugang zu bezahlbaren und wirksamen Medikamenten und Gesundheitsdiensten haben. Dafür braucht es mehr Investitionen in die Forschung und Entwicklung neuer Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente. Außerdem brauchen die Gesundheitssysteme ausreichend wirksame Medikamente und geschultes Personal.

Um vernachlässigte Armutskrankheiten wirksam zu bekämpfen, müssen die betroffenen Länder ihre Investitionen in Gesundheit erhöhen. Außerdem sollten Regierungen von Industriestaaten und Pharmaunternehmen mehr Forschungsprogramme aufsetzen und günstige oder kostenlose Impfungen und Medikamente bereitstellen. Weiterhin sollten weitreichende Forschungsnetzwerke und Erfahrungen von Produktentwicklungspartnerschaften genutzt werden, um wertvolle Synergieeffekte zu generieren.

Ebenfalls wichtig ist die Bekämpfung der Krankheitsüberträger selbst – allen voran die verschiedenen Arten von Stechmücken. Dazu gehören imprägnierte Bettnetze und Vermeidung von stehenden Wasserplätzen rund um Siedlungen, wo Stechmücken sonst ihre Larven ablegen könnten. Darüber hinaus müssen die hygienischen Bedingungen verbessert werden. Das beinhaltet den Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitären Anlagen.

7. Welche Instrumente gibt es?

Es bestehen bereits öffentlich-private Partnerschaften, internationale Fonds und Allianzen, die sich die Verbesserung der globalen Gesundheit zum Ziel gesetzt haben. Zum Beispiel die Impfallianz Gavi und der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM). Außerdem hat sich Anfang 2017 die Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) gegründet, mit dem Ziel, die Entwicklung von Impfstoffen gegen neu auftretende Infektionskrankheiten zu beschleunigen und für deren gerechte Verteilung zu Sorgen. Die Covid-19-Pandemie hat auf dramatische Weise gezeigt, wie alternativlos und wichtig die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist. Die staatliche Förderung solcher Programme trägt entscheidend zum Erfolg im Kampf gegen vernachlässigte Armutskrankheiten bei.

Deutschland fördert seit 2011 über das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Forschung und Entwicklung zu vernachlässigten Armutskrankheiten in Form von Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs). Dabei handelt es sich um internationale Not-for-Profit-Organisationen, die akademische Institute, öffentliche Forschungseinrichtungen, Pharmafirmen und Nichtregierungsorganisationen zusammenbringen, um Forschungslücken zu schließen. Bei ihrer Arbeit sind sie auf öffentliche und private Geldgeber angewiesen.

Leonie Müßig

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5 Fragen – 5 Antworten zu Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs)

Blog | 15. Februar 2021 | #Gesundheit #Gesundheitsforschung #Globale Gesundheit #PRND

Für über eine Milliarde Menschen, die von armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten betroffen sind, bleibt die Gesundheitsforschung eine Schicksalsfrage. Denn zu ihrer Eindämmung wurden noch nicht ausreichende Diagnostika, Impfstoffe und Medikamente entwickelt.

Zu den armutsassoziierten und vernachlässigten Krankheiten gehören zum Beispiel HIV, Tuberkulose, Malaria, verschiedene Wurmkrankheiten und die afrikanische Schlafkrankheit. Diese Krankheiten betreffen vor allem Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, aber auch benachteiligte Gruppen in Ländern mit hohem Einkommen. Für wenige armutsassoziierte und vernachlässigte Krankheiten gibt es einen Impfstoff. Viele Arzneimittel können toxisch sein und haben häufig schwere Nebenwirkungen. Der Pharmaindustrie fehlt oft der wirtschaftliche Anreiz, für diese Krankheiten Impfstoffe, Medikamente, und Diagnostika zu entwickeln und zu verbessern. Daher wurden in den letzten Jahrzehnten Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs) gegründet.

1. Was machen Produktentwicklungspartnerschaften?

Produktentwicklungspartnerschaften sind internationale Non-Profit-Organisationen, die sich auf Forschung und Entwicklung neuer Technologien konzentrieren, damit diese Krankheiten behandelt oder sogar geheilt werden können. In Kooperation mit Pharmafirmen und Forschungseinrichtungen entwickeln PDPs Medikamente, Impfstoffe und Diagnostika für vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten. Außerdem vernetzen PDPs Forschungseinrichtungen mit öffentlichen und privaten Institutionen und verbessern die Verteilung von knappen Ressourcen.

2. Welche Erfolge konnten gefeiert werden?

Laut eines neuen Berichtes der sogenannten Produktentwicklungspartnerschaften-Koalition, die aus zwölf PDPs besteht, konnten in den letzten zehn Jahren viele Erfolge gefeiert werden. So gab es wichtige Fortschritte wie unter anderem:

Insgesamt haben diese zwölf Produktentwicklungspartnerschaften von 2010-2020 über 60 neue Gesundheitsinnovationen auf den Markt gebracht. Diese Innovationen haben über 2,4 Milliarden Menschen erreicht, hauptsächlich in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

3. Was macht Produktentwicklungspartnerschaften so besonders?

Zu den besonderen Eigenschaften von Produktentwicklungspartnerschaften gehören unter anderem:

4. Warum brauchen Produktentwicklungspartnerschaften Investitionen und politischen Willen?

Die Entwicklung medizinischer Technologien braucht Zeit. Einige Forschungsansätze müssen auch verworfen werden. Deswegen benötigen Produktentwicklungspartnerschaften eine stabile langfristige Finanzierung und Investitionen. Sie brauchen dies in jeder Phase des Forschungsprozesses – von der Entdeckung und Epidemiologie bis hin zu klinischen Studien. Eine solche verlässliche Finanzierung kann durch längerfristige staatliche Mittel ermöglicht werden.

Um weltweit eine Verbesserung der Gesundheit zu erreichen, erfordert es einen ganzheitlichen Ansatz. Daher sind verstärkte Investitionen und eine sektorübergreifende Zusammenarbeit erforderlich, um die weit verbreitete Einführung, Bereitstellung und Umsetzung neuer Gesundheitstechnologien zu gewährleisten.

5. Setzt sich die Bundesregierung für Produktentwicklungspartnerschaften ein?

Ja, das tut sie. Einige Produktentwicklungspartnerschaften werden seit 2011 über das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Sogar in ihrer neuen Globalen Gesundheitsstrategie nennt die Bundesregierung PDPs als ein erfolgreiches Instrument, um vernachlässigte und armutsassoziierte Krankheiten weiter einzudämmen. Die derzeitige Förderung (2016-2021) der Produktentwicklungspartnerschaften wurde pandemiebedingt bis Ende 2022 verlängert. Wie die nächste Bundesregierung dieses wichtige Instrument dann weiter fördert oder ob sie es sogar verstetigt, bleibt abzuwarten.

Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW)

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5 Fragen – 5 Antworten zu Zika

Blog | 24. Januar 2017 | #Gesundheit #Gesundheitsforschung #Globale Gesundheit #PRND #Zika

Im Vorfeld der olympischen Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro in Brasilien beherrschte Zika die Nachrichten weltweit. Die Ausbreitung des Virus in Brasilien, weiten Teilen Lateinamerikas und darüber hinaus beschäftigte lange Zeit die Bevölkerung, Besucher, Athleten und Forscher. Doch was ist dran? Wie groß ist das Risiko tatsächlich? Die WHO gab kurz vor Beginn der Olympischen Spiele eine Entwarnung: „Das Risiko von Zika-Virus-Infektionen bei den Olympischen Spielen ist niedrig und überschaubar.“

Prof. Dr. Bernhard Fleischer vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg erklärt im Interview, welche Gefahren mit einer Infektion verbunden sind und warum die Forschung dringend gefragt ist.

1. Welche Gefahren sind mit einer Infektion verbunden?

Bernhard Fleischer: Die Infektion verläuft für die meisten Betroffenen ohne Symptome. Nur bei einem von fünf Infizierten tritt eine milde Erkrankung mit Fieber, Hautausschlag, Bindehautentzündung und Gelenkschmerzen auf, die aber meist nach ein paar Tagen wieder abklingt. Aus einigen Ländern in Asien, wo sich das Virus seit 2013 ausbreitet, und in Südamerika wird eine Häufung von Fällen des Guillain-Barré-Syndroms – eine Entzündung der Nervenbahnen – berichtet. Die Zusammenhänge mit Zika-Infektionen müssen jedoch noch genauer untersucht werden.

2. Welche Komplikationen können insbesondere bei Schwangeren auftreten?

Bernhard Fleischer: Die brasilianische Gesundheitsbehörde berichtet über eine starke Häufung von Fällen von Mikrozephalie, einer Missbildung des Gehirns bei Föten, in den betroffenen Gebieten. Es treten mehr als zwanzig Mal so viele Fälle wie in den vergangen Jahren auf. Zwar ist nicht bewiesen, dass das Zika-Virus die Ursache ist, aber einige Umstände sprechen dafür. Wie häufig diese Komplikation auftritt, ist unklar, da die Zahl der tatsächlich mit dem Zika-Virus-Infizierten aufgrund der seltenen und milden Symptome und der schwierigen Diagnostik unbekannt ist. Vermutlich ist es eine eher seltene Erscheinung, die durch die große Zahl an Infizierten erst bemerkbar wird.

3. Zika zählte bislang noch nicht zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten, welche die WHO identifiziert hat. Warum wurde das Virus auf politischer Ebene unterschätzt?

Bernhard Fleischer: Es handelt sich um ein relativ neues Virus, dessen Gefahrenpotenzial für Schwangere erst jetzt bekannt geworden ist. Die Infektionen mit dem Zika-Virus verlaufen eben meist harmlos und es sind uns zahlreiche ähnliche von Insekten übertragene Viren bekannt, die man nicht alle bekämpfen kann. Außerdem treten öfters neue Viren auf, wie etwa Chikungunya-Virus, MERS-Corona-Virus, West-Nil-Virus und das Ebola-Virus, die zu schweren Erkrankungen führen. Deshalb wurde das Zika-Virus bisher verständlicherweise nicht vordringlich behandelt.

4. Wo liegen die derzeitigen Forschungsschwerpunkte in Deutschland?

Bernhard Fleischer: Eine zuverlässige molekularbiologische Nachweismethode durch PCR (eine Polymerase-Kettenreaktion mittels Vervielfachung der Viren-Erbinformation) gibt es bereits durch die Zusammenarbeit des Bernhard-Nocht-Instituts mit Altona Diagnostics. Wir arbeiten derzeit, zusammen mit der Industrie, an einem schnellen serologischen Test, um auch frühere und abgeklungene Zika-Infektionen leicht durch die Bestimmung von Antikörpern diagnostizieren zu können. Ein Impfstoff wäre aus heutiger Sicht insbesondere für Schwangere wichtig. Doch die Entwicklung kann sich noch über mehrere Jahre hinziehen.

5. Was sollte die Bundesregierung aus Ihrer Sicht unternehmen, um Wissenschaftler bei der Erforschung und Bekämpfung des Virus möglichst umfassend zu unterstützen?

Bernhard Fleischer: Wichtig wäre es, die Frage zu erforschen, warum es zu dieser ungewöhnlich schnellen Ausbreitung in Südamerika kommen konnte – im Gegensatz zu den Regionen in Afrika oder Asien, wo das Virus ja schon seit mehr als sechzig Jahren zirkuliert. Und im Moment erscheint eine Hotline sinnvoll, um die zahlreichen Anfragen besorgter Bürger zu beantworten.

Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW)