Menstrual Hygiene Day: „Es ist verwirrend – gerade für junge Mädchen“
Geschätzt mehr als 500 Millionen Frauen auf der Welt* haben während ihrer Menstruation keinen Zugang zu den entsprechenden Hygieneprodukten und teilweise nicht einmal sauberes Wasser oder Seife zur Verfügung. Dazu kommt in vielen Ländern eine Stigmatisierung – gerade auch in Subsahara-Afrika, wo das Thema Menstruation traditionell ein Tabu. Wir haben zum Menstrual Hygiene Day am 28. Mai mit Maureen Kamara über die Situation in ihrem Land gesprochen. Die 24-Jährige ist Vorsitzende des Youth Empowerment Centers in Kampala, der Hauptstadt von Uganda.
Frau Kamara, wie wirkt sich die Menstruation für Frauen und Mädchen in Uganda im Alltag aus?
Wenn wir über Menstruation sprechen, reden wir über ein wirklich wichtiges Thema. Viele Mädchen und Frauen bei uns können sich keine Hygieneartikel leisten und verpassen dadurch ganze Schultage. Aus den Statistiken, die mir vorliegen, geht hervor, dass ungefähr 28 Prozent aller Schülerinnen in Uganda mindestens vier Schultage pro Monat ausfallen lassen müssen, weil sie wegen ihrer Menstruation nicht am Unterricht teilnehmen können. Viele Mädchen gehen überhaupt nicht zur Schule, wobei ein erheblicher Teil sagt, der Grund dafür seien Probleme mit der Regel. Häufige Aussagen sind: „Ich fühle mich schlecht“, „Ich hatte Schmerzen“ oder „Ich hatte keine Hygieneartikel“ – so etwas höre ich oft. Dazu kommt, dass die Mütter dieser Mädchen meist nicht viel Geld verdienen und der Großteil davon für lebensnotwendige Dinge wie Lebensmittel und den Weg zur Arbeit draufgeht, sodass am Ende zu wenig für Hygieneprodukte übrigbleibt.
Wo in Uganda kann man Hygieneartikel kaufen, wenn man nicht in einer großen Stadt lebt? Wie ist die Versorgung?
Es kommt ein bisschen auf die Lage an: Ganz tief in der Provinz, wir sagen „deep down the village“, hat man nur eine Chance, wenn ein Einkaufszentrum oder etwas Ähnliches in der Nähe ist. Alternativ kann man sich auf Märkten oder bei Einzelhändlern umsehen, doch das Problem ist, dass die Produkte auch dort, wo die Händler sie eigentlich führen, oft nicht vorrätig sind. Das führt dann dazu, dass viele Frauen und Mädchen improvisieren müssen und T-Shirts oder andere Kleidungsstücken umfunktionieren, um sich zu helfen. Einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs, d. Red.) wie Action4Health Uganda mit Unterstützung der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) helfen, indem sie Frauen und Mädchen schulen, ihre eigenen Hygieneprodukte herzustellen und vor allem, sie auch richtig zu benutzen, um Infektionen vorzubeugen.
Ist das Thema Menstruation ein Tabu in Uganda? Und wenn ja, warum ist das so?
Wir beide reden hier gerade über Menstruation. Das ist eine Ausnahme. Nirgendwo anders wird darüber geredet, nicht mit den Eltern, mit niemandem. Das ist in unserer Kultur, unserer Tradition tief verwurzelt. Meine Mutter kann nicht mit mir darüber reden. Wenn man Glück hat, gibt es eine Tante, mit der man sprechen kann. Viele dieser Menschen, auch die Tanten, sind jedoch oft falsch informiert oder haben gar keine Ahnung, zum Beispiel über die korrekte Verwendung von Damenbinden. Es gibt Bezirke in Uganda, in denen Frauen regelrecht isoliert werden, wenn sie ihre Tage haben: Sie werden sogar gezwungen, ihr Haus zu verlassen. Das ist so entmutigend. Wenn Mädchen ihre erste Periode bekommen, werden sie gewarnt, in der Nähe von Jungen und Männern vorsichtig zu sein. Sie fragen sich natürlich: „Bin ich krank? Habe ich eine ansteckende Krankheit?“ Das ist so verwirrend, gerade für junge Mädchen. Durch Aufklärung und Bildung ändert sich das zum Glück langsam ein wenig, aber diese Hindernisse gibt es immer noch.
Was würde helfen, die Situation zu verbessern, gerade hinsichtlich der Tabuisierung?
Das Wichtigste ist natürlich Bildung. Schulen, Gemeinden – sie müssen korrekte Informationen weitergeben, um die Stigmatisierung zu bekämpfen und Eltern zu unterstützen. Kampagnen helfen auch, um die Isolation der betroffenen Frauen zu beenden. Natürlich funktioniert das nicht von jetzt auf gleich. Wenn wir jedoch mit zehn Personen ins Gespräch kommen und es schaffen, drei von ihnen zu überzeugen, die Informationen weiterzugeben, haben wir einen kleinen Schritt nach vorn gemacht. Man darf nicht vergessen, dass das Thema Menstruation hier seit Generationen tabuisiert worden ist. Außerdem ist es ganz wichtig, die Männer, vor allem die Jungen, einzubeziehen. Es gibt Männer bei uns, die nicht zu Hause schlafen, wenn ihre Frau ihre Tage hat, und die in dieser Zeit keine Speisen essen, die von ihrer Frau zubereitet worden sind. Das müssen wir ändern und ein unterstützendes Umfeld aufbauen. Menstrual Hygiene muss in die Lehrpläne aufgenommen werden und Hygieneartikel müssen kostenlos ausgegeben werden. Nur kurz zum Vergleich: Kondome sind vielerorts kostenlos erhältlich, denn jeder sollte die freie Wahl haben, wenn es um Sex geht. Umgekehrt haben Frauen aber keine Wahlmöglichkeit, wenn es um die Menstruation geht.
Wo in Uganda sind heute schon Fortschritte beim Thema Menstrual Hygiene zu erkennen?
Es gibt Verbesserungen, bemerkenswerte Verbesserungen. NGOs wie Action4Health und die DSW setzen sich aktiv dafür ein, die gesellschaftlichen Tabus rund um die Menstruation abzubauen. Das Bildungsministerium hat Richtlinien veröffentlicht, die von immer mehr Schulen im ganzen Land umgesetzt werden. Wir versuchen zudem, das Narrativ von der „bösen“ Menstruation zu ändern, indem wir vor allem auf Social Media aktiv sind, um die jungen Leute zu erreichen, sei es bei Facebook, Twitter oder Instagram. Dort posten wir Infos, die auf die junge Generation zugeschnitten sind und die sie dann mit ihren Freund*innen teilen können. Der Einfluss von Social Media ist immens, gerade in der jungen Generation. Für uns war auch die Aktion der kenianischen Senatorin Gloria Orwoba wichtig, die sich mutig gegen „Period Shame“ stark gemacht hat. (Orwoba war im Januar mit wegen ihrer angeblich blutbefleckten weißen Hose des Parlamentes in Nairobi verwiesen worden. Sie wolle mit ihrer Aktion auf die Stigmatisierung rund um das Thema Menstruation hinweisen, erklärte Orwoba laut Nachrichtenagentur AP im Anschluss, Hinweis d.Red.)