Neues HIV-Medikament hätte das Zeug zum Game-Changer
Der neue UNAIDS-Report zeigt: Der Kampf gegen HIV steht auf der Kippe. Weltweite Finanzlücken untergraben die Erfolge der vergangenen Dekaden – besonders Frauen und junge Mädchen in Afrika südlich der Sahara leiden unter dem Virus. Doch es gibt auch Grund zur Hoffnung, denn es zeichnet sich zunehmend ein vielversprechendes Medikament am Horizont ab, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Wir können das Ziel, Aids bis 2030 zu beenden, noch erreichen.
Der Gesichtsausdruck der UNAIDS-Direktorin Winnie Byanyima beim diesjährigen Global-AIDS-Update in München ist ernst. Die neuen Zahlen belegen, dass das Ziel, AIDS bis 2030 als Bedrohung der öffentlichen Gesundheit zu eliminieren, verfehlt werden könnte, wenn nicht entschlossen gehandelt wird. Schon jetzt wird die Zielvorgabe für 2025 um ein dreifaches überschritten – statt 370.000 Neuinfektionen sind es rund 1,3 Millionen. Das sind zwar immerhin 39 Prozent weniger als noch 2010, doch die Anzahl der Neu-Infektionen sinkt nicht schnell genug.
Erstmals mehr Infektionen außerhalb Subsahara-Afrikas
Subsahara-Afrika zählt seit Beginn der Pandemie zu den am stärksten belasteten und leidtragenden Regionen der Erde. Die Region ist seit jeher im Zentrum internationaler Bemühungen, das HI-Virus einzudämmen. Diese Anstrengungen haben sich gelohnt: Seit 2010 sind die Neuinfektionen in Subsahara-Afrika im Verglich zu 2010 um 56 Prozent gesunken – mehr als die Hälfte! Dennoch sind die Neuinfektionsraten mit etwa 3.100 pro Woche unter Mädchen und jungen Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren immer noch die höchsten weltweit.
Zum ersten Mal in der Geschichte der HIV-Pandemie treten nun aber mehr Infektionen der Immunschwächekrankheit außerhalb von Subsahara-Afrika auf. Was sich wie eine Erfolgsgeschichte liest, ist aber gleichzeitig ein Zeugnis mangelnder Anstrengungen im Rest der Welt. Der UNAIDS-Report zeigt: HIV-Infektionen steigen in Europa, Zentralasien, Lateinamerika, dem Mittleren Osten und Nordafrika zum ersten Mal seit Jahren wieder an.
Drama aus Vernachlässigung und Unterfinanzierung
Das die HIV-Neuinfektionen nicht schneller sinken, ist auch Ausdruck fehlenden politischen Willens und anhaltender – vielerorts sogar zunehmender – Stigmatisierung und Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen.
Stigmatisierung, Diskriminierung, soziale Ungerechtigkeit und geschlechtsspezifische Gewalt sind neben der mangelnden Finanzierung das größte Hindernis. Zwar werden diese Probleme zunehmend erkannt, spiegeln sich aber noch nicht in adäquaten gesetzlichen Rahmen wider. Fast die Hälfte aller Menschen, die mit HIV leben, geben an, unter Diskriminierung – selbst in Gesundheitseinrichtungen – zu leiden.
Um die HIV-Pandemie zu besiegen, braucht es vor allem eins: Geld. Und die Finanzierungslücke wird immer breiter. Fast 9,5 Milliarden Dollar werden im Jahr 2025 fehlen. Die inflationsbereinigten Gesamtressourcen für HIV sind auf dem niedrigsten Stand seit über einem Jahrzehnt. Deutschland sollte deshalb weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen und ausreichend Mittel für die Organisationen UNAIDS und den Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria bereitstellen.
Neues Wundermittel Lenacapavir?
Kurz vor der Aids-Konferenz in München hat das Pharmaunternehmen Gilead Sciences die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die zeigt, dass das injizierbare Langzeitpräparat Lenacapavir zur HIV-Prävention bei Frauen und Mädchen wirksamer war als die tägliche Pille Truvada des Unternehmens. Die Studie, an der mehr als 5.300 Frauen und Mädchen teilnahmen, hat die Erwartungen an die Wirksamkeit weit übertroffen: Unter den Teilnehmerinnen, die das Medikament erhielten, traten keine HIV-Infektionen auf – vergleichen mit der Kontrollgruppe. Truvada wird bereits in großem Umfang sowohl für die HIV-Behandlung als auch für die Prävention eingesetzt, aber die zweimal jährlich zu verabreichende Lenacapavir-Injektion, die Ende nächsten Jahres für HIV-Präventionsprogramme zugelassen werden könnte, bietet eine Option, die für viele Menschen, insbesondere für Personen mit höherem Risiko, viel leichter zu nutzen sein könnte als eine tägliche Tablette.
Dieses Medikament könnte also tatsächlich zum Game-Changer in der HIV-Pandemie werden. Allerdings ist es derzeit noch viel zu teuer, um flächendeckend eingesetzt werden zu können. Aktuell kostet ein Präparat rund 40.000 Euro. Insofern muss der Preis drastisch gesenkt werden. Das könnte beispielsweise auch durch Preisverhandlungen bei gleichzeitiger Abnahmegarantie durch die Bundesregierung und anderen Staaten erreicht werden. Wichtig ist am Ende, die Verfügbarkeit für all jene sicherzustellen, die davon profitieren würden, damit es die lang erhoffte Wende im Kampf gegen das HI-Virus erzeugen kann.
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