Ein Hinweis vorweg: Die kulturelle Praktik, um die es hier geht, benennen wir als Genitalverstümmelung. Aus Respekt vor den Betroffenen sprechen wir jedoch von beschnittenen Mädchen/Frauen.

Eine ehemalige Beschneiderin erzählt:

Bei dem Schnitt benutzten wir scharfe Gegenstände wie eine Rasierklinge, eine Schere oder “Omuruna” – einen traditionellen Stein für Beschneidungen. Die Werkzeuge waren selten desinfiziert und das Mädchen bekam nichts, um ihre Schmerzen zu lindern, während ihre Schamlippen und Klitoris entfernt wurden. Das konnte zu Infektionen führen, zum Beispiel mit HIV. Ich weiß nicht, wie viele Mädchen ich so infizierte.

Heute praktiziert sie nicht mehr, doch sie möchte trotzdem anonym bleiben. Wir sprachen mit ihr und vielen anderen Menschen im Rahmen einer Studie für unser Projekt gegen Genitalverstümmelung in Tansania. Rund 15 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren wurden hier Opfer dieses Eingriffs. In den ländlichen Regionen sind es mehr, in den Städten weniger. Über 80 Prozent der beschnittenen Frauen in Tansania sind für die Abschaffung dieser Praktik, bei der die äußeren Geschlechtsorgane, wie die Klitoris oder Schamlippen, ganz oder teilweise entfernt werden. Nachdem die offene Wunde vernäht ist, bleibt meist nur ein kleines Loch für Urin und Menstruationsblut. Viele Mädchen sterben bei der Prozedur oder später an den Folgen. Dabei gibt es in Tansania schon seit 1998 ein Gesetz gegen die Genitalverstümmelung.

Wieso wird Genitalverstümmelung praktiziert?

Die Antwort ist nicht so einfach. Denn weibliche Genitalverstümmelung ist nicht auf ein bestimmtes Land oder eine Religion zu begrenzen. Dort wo sie durchgeführt wird, hat sie jedoch eine lange Tradition und hängt unter anderem mit festen Rollenbildern für Männer und Frauen sowie mit Mythen über die gesundheitlichen Vorteile zusammen. Und auch mit finanzieller Not.

Obwohl die meisten Beschneidungen noch vor dem fünften Lebensjahr stattfinden, gelten sie als Teil eines Rituals, das den Übergang eines Mädchens zum Frausein markiert. Damit kann die Vorstellung verbunden sein, dass beschnittene Mädchen weniger Lust beim Sex verspüren, deshalb ihrem späteren Ehemann nicht fremdgehen und somit „gute Ehefrauen“ werden. Wenn die Ehe als die einzige Option für die Zukunft eines Mädchens gilt, hängt viel von seiner “Heiratsfähigkeit” ab. So haben Eltern oft Angst, dass kein Mann ihre Tochter will, wenn sie nicht beschnitten ist.

Das macht die DSW gegen Genitalverstümmelung

Im Zentrum unseres Projekts stehen die Mädchen und jungen Frauen, die Opfer von Genitalverstümmelung wurden oder einem hohen Risiko ausgesetzt sind, bald zu Opfern zu werden. Sie gilt es zu stärken!

Eine von vielen Demonstrationen gegen Genitalverstümmelung in Arusha zum Jugendtag 2018

Eine von vielen Demonstrationen gegen Genitalverstümmelung in Arusha zum Jugendtag 2018

Wir unterstützen sie dabei, sich in Klubs zusammenzuschließen, in denen sie Erfahrungen und Informationen austauschen können. Außerdem bilden wir junge Frauen zu Jugendberaterinnen aus. Sie sind Vermittlerinnen und Advokatinnen für ihre eigenen Bedürfnisse. Sie diskutieren nicht nur mit Gleichaltrigen über die schwerwiegenden Folgen der Praktik, sondern sprechen auch öffentlich bei Events wie bei einer Demonstration zum Jugendtag in Arusha. Begleitet wird dies von Workshops, in denen junge Frauen die Grundlagen von Business Management lernen. Denn wenn die jungen Frauen mehr Perspektiven haben und finanziell unabhängig sein können, verringert sich auch der Druck der Eltern, einen passenden Ehemann finden zu müssen.

Doch ohne die Männer geht es nicht. Sie sind schließlich vielerorts diejenigen, die etwas zu sagen haben. Deshalb beziehen wir auch männliche Jugendliche mit in unsere Arbeit ein. Über unsere Kontakte in die Gemeinden identifizieren wir beispielsweise junge Männer, die sich bereits offen gegen Genitalverstümmelung positionieren. Diese binden wir aktiv mit ein und bilden sie darin aus, wie sie Mädchen und junge Frauen in ihren Positionen unterstützen können. Diese „Allies“ (Verbündete) sind auch bei Dialogveranstaltungen und bei der Ausbildung weiterer (männlicher) Jugendberater beteiligt.

Außerdem spielt die Arbeit mit Eltern, Lehrer*innen Gemeindeführer*innen und Politiker*innen eine zentrale wichtige Rolle, denn sie können eine langfristige Veränderung erreichen, indem sie das Thema kritisch behandeln und sich gegen die Praktik aussprechen. Dies erreichen wir auch über Medien: Journalist*innen und Radiosprecher*innen schaffen Aufmerksamkeit für das Thema Genitalverstümmelung und stärken die kritischen Stimmen.

Unsere Projekterfolge gegen Genitalverstümmelung

Seit dem Beginn der neuesten Projektlaufzeit im Juli 2018, haben wir schon viele Erfolge erzielt. So haben die Jugendberater*innen den Informationsaustausch zwischen jungen Frauen und Gesundheitseinrichtungen gestärkt. Dadurch sinkt auch die Hemmschwelle für junge Menschen sich in Behandlung zu begeben und auf diesem Wege Hilfe zu suchen.

Außerdem haben bereits rund 100 junge Frauen Lehrgänge für Business Management absolviert und durch die enge Zusammenarbeit mit Regierungsvertreter*innen ergaben sich wichtige Kontakte zu Ausbildungsbetrieben in der Privatwirtschaft. Die Teilnehmerinnen berichteten, dass sie durch die Aktivitäten innerhalb des Projekts ihr Selbstbewusstsein stärken konnten und sich nun besser Gehör verschaffen, wenn es um ihre Rechte geht.

Unsere Erfolge zeigen, dass es eine wichtige Arbeit ist, die einen großen Unterschied im Leben der Mädchen macht! Um diese fortzuführen brauchen wir jedoch Hilfe. Wenn du uns dabei unterstützen möchtest, freuen wir uns über eine Spende zugunsten der Millionen von Mädchen, die unter dieser Praktik leiden.

Ich möchte Helfen!