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Das 0,7-Prozent-Ziel für Entwicklungszusammenarbeit: 50 Jahre leere Versprechen

Blog | 23. Oktober 2020 | #Bundesregierung #Bundesrepublik Deutschland #Bundestag #DSW #Entwicklungspolitik #Entwicklungszusammenarbeit

Das 0,7-Prozent-Ziel hat Geburtstag! Am 24. Oktober 2020 wird das Versprechen der Bundesregierung und anderen Industrienationen, jährlich mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe auszugeben, 50 Jahre alt. Bisher hat Deutschland das Ziel nur einmal erreicht – und das mit Ach und Krach. Aber was hat es überhaupt mit diesem Versprechen auf sich?

Industrienationen bekennen sich zum 0,7-Prozent-Ziel

Man schreibt das Jahr 1970. Deutschland und die anderen Industriestaaten sagen bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu, die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit bis Mitte der 70er-Jahre auf mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Mit der Vereinbarung soll die globale Armut reduziert und die Lebensbedingungen von Menschen in einkommensschwachen Ländern nachhaltig verbessert werden. Dieses Ziel wurde danach immer wieder bestätigt.

Wenn wir heute auf die vergangenen 50 Jahre zurückblicken, ist das Resultat bitter. Nur elf Länder haben das 0,7-Prozent-Ziel jemals erreicht: Dänemark, Finnland, Großbritannien, Kuwait, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Türkei, die Vereinigten Arabische Emirate und Deutschland. Laut den jüngsten Erhebungen der Datenbank der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben die Länder, die sich zu dem Ziel bekannt haben, im Jahr 2019 durchschnittlich sogar nur 0,3 Prozent für Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben.

Wie schlägt sich Deutschland?

Deutschland ist über Jahrzehnte und unter verschiedenen Regierungen nicht einmal in die Nähe des 0,7-Prozent-Ziels gekommen. Im Jahr 2016 – also 46 Jahre nach der wegweisenden UN-Generalversammlung – erreichte Deutschland das Ziel zum ersten und bisher einzigen Mal. Das aber auch nur nach einer vorteilhafteren Berechnungsmethode, die heute nicht mehr angewandt wird. Dabei kam der Bundesregierung außerdem zugute, dass sie Kosten für Geflüchtete in Deutschland anrechnen konnte. Sonst hätten die Entwicklungsausgaben nur bei 0,52 Prozent gelegen. Die Bundesrepublik war also selbst die größte Empfängerin der eigenen Entwicklungsgelder! Das ist zwar zulässig, aber diese Mittel tragen nicht zur Entwicklung einkommensschwacher Länder bei. 

Seitdem lagen Deutschlands Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit wieder unter der 0,7-Prozent-Marke. Zuletzt im Jahr 2019 bei 0,6 Prozent.  

Voraussichtlich wird die Bundesregierung das 0,7-Prozent-Ziel in den Jahren 2020 und 2021 erreichen. Dies gelingt wegen der zusätzlichen Mittel, die als Reaktion auf die globale Corona-Pandemie bereitgestellt werden und durch den Corona-bedingten Wirtschaftsrückgang Deutschlands. 

Welche Fortschritte gibt es in der globalen Entwicklung? 

Seit 1970 ist viel passiert! Der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, ist allein in den letzten 30 Jahren um 27 Prozent zurückgegangen. Die Kindersterblichkeit sank seit dem Jahr 2000 um 45 Prozent. Durch multilaterale Entwicklungsprojekte wurden große Erfolge erzielt: Der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hat beispielsweise 38 Millionen Menschenleben gerettet. Die Impfallianz Gavi konnte mehr als 13 Millionen Leben durch wichtige Impfungen retten. 

Gleichzeitig ist die Weltbevölkerung seit 1970 um 4,1 Milliardem Menschen gewachsen und hat sich damit mehr mehr als verdoppelt. Damit ist auch die absolute Zahl der Menschen gestiegen, die in Armut leben, auch wenn Anteil an der Weltbevölkerung gesunken ist. Denn ein Großteil des Bevölkerungswachstums findet in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen statt, die Empfänger von Entwicklungsgeldern sind. 

Globale Probleme sind hinzugekommen: Der Klimawandel stellt uns und unseren Planeten vor große Herausforderungen. Durch die Corona-Pandemie lastet ein enormer Druck auf den Gesundheitssystemen weltweit. Und auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie sind weltweit zu spüren.

Was fordert die DSW von der Politik?

Mit der Umsetzung des 0,7-Prozent-Versprechens ließe sich das Leben von Millionen von Menschen verbessern. Zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen – auch bekannt als Agenda 2030 – bleiben der Weltgemeinschaft nur noch zehn Jahre. Das erfordert zusätzliche Anstrengungen, die sich im Haushalt der Bundesregierung widerspiegeln müssen. 

Die Bundesregierung muss ihrer Verantwortung im Bereich der nachhaltigen globalen Entwicklung nachkommen. Ohne politischen Willen – und einen konkreten Plan, wie das 0,7-Prozent -Ziel auch nach 2021 gehalten werden kann – ist dies nicht möglich. Unsere Forderungen finden Sie in ausführlicher Form in unserem Positionspapier zum BMZ-Haushalt 2021

Malene Hummel